ÜBER DIE ZUKUNFT VOM TANGO IN UNSERER REGION UND INTANGO

Liebe Tangofreunde!

Zum Jahreswechsel stehen bei Intango einige Veränderungen an. Teresa wird ab April ihre Professur in Oldenburg antreten und kann ihren Einsatz bei Intango nicht in gleichem Ausmaß weiterführen. Auch ich möchte meine Aktivitäten in der Schule verlagern, mich mehr um die Ausbildung und Seminare und um internationale Events kümmern. Daher erfahrt ihr hier, was ich mir für das neue Jahr vorgenommen habe und nach welchen Leuten ich für unser Intango-Team Ausschau halte. Vielleicht fühlt ihr euch ja angesprochen…

Zunächst ein paar Gedanken zur Tangoszene:

Ich habe die Tangoszene in Heidelberg/Mannheim mit viel Einsatz, Herzblut und Investitionen etabliert. In der Region wollte damals noch niemand Tango tanzen. Jetzt, da Tango ‚in‘ ist und sich verbreitet hat, wollen selbst Fachfremde und Leute von außerhalb mitmischen. Ich zweifele stark, ob das gut ist. Warum?

Mir war es immer wichtig, dass eine Veranstaltung nicht ausschließlich auf Konsum ausgerichtet ist, sondern auch einen Beitrag für den Tango selbst leistet. Was ich damit meine? Heidelberg ist keine riesige Stadt. Wenn Milongas gleichzeitig stattfinden, dann stellt das ein wirtschaftliches Risiko dar: Der Wirt will seine Miete haben, die Gema rechnet ab, die Organisation kostet Geld, der DJ verzichtet auch nicht auf seine Gage, etc. Wenn die Besucherzahl in der Milonga schwindet, verschwinden die Kosten leider nicht mit. Wenn eine Tangoschule wie Intango, die seit über 25 Jahren einen Beitrag für den Tango leistet, Pleite geht, dann fehlt ein großes Stück Tango-Kultur in Heidelberg. Denn wir setzen uns für die nachhaltige Ausbildung von Tangotänzer und die Förderung von Talenten ein. Wir sind stets auf der Suche nach Innovationen und organisieren exklusive Events an besonderen Orten mit internationaler Ausrichtung. Und wir wollen das, was den Tango in seinem Wesen ausmacht, wieder verstärkt in das Bewusstsein der Menschen rücken.

Wenn dagegen ein Milonga-Betreiber, der eigentlich nicht vom Tango kommt oder nicht von Heidelberg ist, mit seiner Milonga ein Minus-Geschäft macht, dann wird er sich wieder auf andere Events (Salsa, Standard oder was auch immer) oder auf andere Städte konzentrieren und es ändert sich dadurch nichts für die Tangoszene. Und wer lediglich nur noch eine weitere Milonga einführt oder von mir aus auch eine weitere Neolonga, trägt damit zur hoffnungslosen Inflation und letztendlich zur Verwässerung des Ganzen bei und schwächt damit den Tango und den Standort. Das hat sich in einigen Städten schon gezeigt.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Intango geht es gut, ich habe keinen Grund zum Jammern. Aber ich mache mir meine Gedanken zur Entwicklung der Tangoszene. Ja ich habe mein Herz in Heidelberg verloren!

Wie gesagt, ihr kennt mich. Ich hatte immer den Anspruch, dass die besten Tänzer von hier stammen. Ich war immer stolz auf meine Schüler. Klar sind wir nicht die einzigen Guten auf dieser Erde und klar, dass ich vor lauter Liebe zu Heidelberg übertreibe, aber das zeigt auch, wie wichtig mir die Szene ist! Daher möchte ich es nicht dem Zufall überlassen, wer Intango zukünftig mitgestaltet.

 

Hier kommen meine Vorsätze:

Tango-Veranstaltungen „worth visiting“

Ich habe mir versprochen, nur Veranstaltungen stattfinden zu lassen, für die ich mehrere 100 Kilometer fahren würde, um diese zu besuchen.

Ich möchte lebendige Abende mit DJs, von denen die Tänzer und ich selbst überzeugt sind. Keine Übungsabende und auch keine Abende, die nur auf oberflächliches Socializing bedacht sind.

Der Tango hat viele Gesichter, das soll sich auch bei den Tänzer widerspiegeln: Paare und Singles, jung und alt, von chic bis leger, von klassisch bis modern, open role. Die Milonga braucht einen Fluss und eine „Grundharmonie“, ja, aber sie muss auch ein bisschen verrucht sein. Ein paar (im positiven Sinne) „Verrückte“, ein paar „Exzentriker“ können manchmal den Unterschied machen.

Spannung, Spaß, Verspieltheit und Coolness gehören in die Milonga. Ein Hauch von Romantik, Nostalgie, Liebe und Sinnlichkeit soll stets in der Luft liegen und mitschwingen.

Klar werden wir auch Anfänger (oder rücksichtslose Fortgeschrittene) haben, die ihre Figuren unbedacht in der Milonga ausprobieren (auch wenn wir ihnen 100mal davon abraten), aber es liegt auch in unserer Verantwortung, diese zu integrieren.

Keine 0815 Veranstaltungen!

0815 Events und Milongas gibt es wie Sand am Meer. Ich will etwas Besonderes für unsere Region kreieren und einen „Anziehungspunkt“ für Tangotänzer aus der ganzen Welt entstehen lassen. Folgende Events sind geplant:

1. Neo-Nights-Festival: Neo- und Non-Tango-Musik vom Feinsten mit qualitativ hochwertigen DJs und Musikern.

Beim Auflegen von Neo- und Non-Tangos auf Milongas kann man viel falsch machen. Ich muss zugeben, dass ich die meisten DJs für eine Katastrophe halte. Ich bin davon überzeugt, dass das damals der Grund war, warum die Neo-Welle 2003 – 2008 zum Erliegen kam. Jetzt sind Neo & Non wieder im Kommen und wir müssen hier aufpassen und auf Qualität achten. Wir wollen nur die Besten einladen. Übrigens, ein Liebhaber von Neo/Non zu sein, das heißt nicht, dass man klassische Musik nicht mag. Paradoxerweise legen meiner Erfahrung diejenigen, die den Milonguero-Stil beherrschen, am besten Neo/Non auf – also nicht die, die aus Trotz gegen „klassisch“ James Bond, Afro-Musik, französische Chansons etc. willkürlich auflegen.

2. Tango Riverboat und Open Air Tango Festival: Es ist Heidelberg, es ist Sommer, es gibt den Fluss und das Schloss. Das ist einzigartig.

3. Open Air Milongas und Weekends: Wir haben in zwei Tanzböden investiert, um Open-Air-Wochenenden in Heidelberg im Sommer stattfinden zu lassen.

4. Tango Marathon Paradiso: Vinyl, Nostalgie und eine Location, die nach Tango schreit. Ein Wochenende mit viel Stil soll hier jährlich stattfinden.

5. Estación Tango: Begegnung und Abschied gehören zum Tango wie in keiner anderen Musik. Der Bahnhof ist ein Ort, der dafür steht. Daher veranstalten wir dieses Event in verschiedenen Hauptbahnhöfen – sobald es im Frühjahr wieder wärmer wird.

6. X meets Heidelberg: Mit „Berlin meets Heidelberg“ und „Istanbul meets Heidelberg“ haben wir jungen Top-Tänzern die Gelegenheit gegeben, sich zu präsentieren und mit unseren jungen Tänzern zu arbeiten. Diese Reihe wollen wir gerne fortsetzen.

7. Tango Camp: Die Mischung macht’s – deswegen möchten wir mit unseren Tangocamps gezielt junge Menschen für den Tango begeistern und dabei auch junge Leute ansprechen, die Tänzer werden möchten und sich für eine Tanzausbildung bei uns interessieren.

Gute Tänzer für unsere Milongas!

Meine Erfahrung hat gezeigt, dass der Milonguero-Stil den Leuten gut tut und aus ihnen gute Tänzer macht, selbst wenn sie bevorzugt offen tanzen.

Nach dem Motto „Gute Tänzer für unsere Milongas“ möchte ich mich stärker für den Milonguero-Stil einsetzen.

Insbesondere in den Mittelstufenkursen möchte ich den Milonguero-Stil vermitteln und erst ab dem Fortgeschrittenen-Niveau den Nuevo-Stil behandeln. Ich bin kein großer Fan weder vom klassischen Bühnentango noch vom Tango de Salon. Denn ich halte wenig von Tango, der auf Statik, Härte, Pseudo-Ausdruck und Pseudo-Umarmung basiert. Stattdessen stelle ich die volle Flexibilität und das Musikalische in den Vordergrund. Kurz gesagt: Es geht um Coolness, Sinnlichkeit und Geschmeidigkeit statt um hohle Technik und vorgetäuschte Emotionen.

 

Die richtigen Leute für unser Team  

 

Wir suchen Tango-Lehrer, DJs und Team-Mitglieder, die sich von unseren Vorstellungen angesprochen fühlen, sich mit unserer Philosophie identifizieren und diese gemeinsam mit uns umsetzen möchten.

Welche Eigenschaften sind hierfür gefragt?

Empathie: Wir haben mit Menschen zu tun. Empathisch sein ist eine der wichtigsten Eigenschaften. Ich gebe zu, dass ich selber nicht der beste darin bin, ich weiß aber, dass diese Eigenschaft ungemein wichtig ist. Ich habe diesbezüglich viel von Teresa gelernt. Menschen, die nur sich selbst bzw. den eigenen Tango sehen und darauf bedacht sind, den eigenen Tango-Konsum zu befriedigen, sind hier nicht gefragt. Denn es geht um die Zukunft der Tangoszene in unserer Region, nicht um Dich!

 

Echte Tango-Liebhaber: Menschen, die sich von unserer Philosophie angesprochen fühlen und mit Emotionen bei der Sache sind. Leute, die das Romantische, Sinnliche, Nostalgische, aber auch das Verspielte lieben und dies anderen näher bringen wollen, im Unterricht, aber auch in unseren Milongas.

 

Lösungsorientierte Denkweise: Es gibt Leute, die gut in einer Sache sind, aber viel Unruhe in ein Team bringen können. Sie schaffen Probleme, weil sie z.B. eine negative Konkurrenzdenkweise im Team erzeugen oder sie jammern bei jedem Einsatz, wenn die Dinge nicht genau ihren Vorstellungen entsprechen. Wir wollen keine Problemsucher und -erzeuger. Chancen-Erkenner und -Verwerter sind uns lieber.

Apropos, ich habe vor kurzem etwas Treffendes auf einer Postkarte gelesen, dabei musste ich schmunzeln: 

„Kaffee redet nicht, Kaffee jammert nicht, Kaffee macht einfach seinen Job. Ich mag Kaffee“.

 

Positiv-Denker und zukunftsorientiert: Image-Angriffe und Schlechtmacherei von Personen oder Schulen und das Erzeugen von Missstimmung sind leider auch in der Tangoszene zu erleben. Wir wollen uns davon distanzieren. Wir machen unser Ding und konzentrieren uns auf Sachen, von denen wir überzeugt sind. Wir möchten der Zukunft der Szene positiv entgegensehen und unsere Milongas beschützen. Positiv zu denken bedeutet aber nicht, Traumtänzer zu sein. Die Dinge, die wir anfangen, müssen Hand und Fuß haben und wir müssen gesund wirtschaften. Die Leidenschaft für den Tango geht vor, aber es muss keine Verluste geben, um leidenschaftlich zu sein. 😉

 

Kümmerer: Kümmerer haben einen Blick für Details, aber auch für das große Ganze. Sie fühlen sich verantwortlich und sind besorgt um die Veranstaltungen und Kurse, denn sie bedeuten ihnen etwas. Sie setzen sich für den Erfolg ein und stellen auch mal ihre eigenen Bedürfnisse dafür zurück. Kümmerer sind zur Stelle, wenn sie gebraucht werden.

 

Kurz: Wir suchen Leute, die loyal sind, die Intango mit seiner Relevanz für die Region schätzen und sich dafür einsetzen wollen.

Letzte Bemerkung: Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass ein großer Teil meiner Arbeit gar nicht direkt etwas mit Tango zu hat, also nicht künstlerischer Natur ist. Gema anmelden, Events planen und bewerben, Excel-Tabellen führen und auswerten, viel telefonieren… um nur einige wenige Dinge aufzuzählen. Wer eine verklärte Sicht hat und nur daran denkt, als Künstler groß rauszukommen, wird schnell enttäuscht sein. Und trotzdem möchte ich auch diese organisatorischen Aufgaben lieber in den Händen von Menschen wissen, die ein Herz für den Tango und einen Bezug zur Tangoszene haben. Denn ich denke, das ist notwendig, um die Arbeit gut zu machen.

Euer Emile

Im obigen Text wird aus Gründen der Vereinfachung die männliche Form (z.B. Tänzer, Lehrer, Schüler) verwendet. Selbstverständlich ist hiermit auch immer die weibliche Form gemeint.

 

 
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